Die Geburt aus Papasicht

Habe ich mich also dazu hinreißen lassen, einen Gastbeitrag für den Blog meiner Frau zu schreiben. Zugegeben, die Idee die Geburt aus der Sicht des Vaters zu schildern fand ich ganz nett, zumal ein Großteil dieser Berichte stets von Frauen verfasst wird und die Männer außen vor bleiben.

Doch wie erlebt ein logisch denkender Mensch wie ich diese außergewöhnliche Zeit? Jemand, der mit Unterhaltungen durch die Bauchdecke während der Schwangerschaft immer schon eher wenig anfangen konnte (eine Tatsache, mit der meine Frau glücklicherweise nie ein Problem hatte)? Ein – wie meine Frau es nennen würde – Workaholic, dem es oft schwerfällt, beruflich kürzer zu treten?

Dass die Corona Krise genau in der heißen Phase der Schwangerschaft einschlug, führte zu einer doch herausfordernden Situation mit Mehrfachbelastung in puncto Home-Office und Home-Schooling für die drei großen Kinder. Die Tatsache bei der bevorstehenden Geburt quasi nur Passagier zu sein und nicht wie sonst üblich das Steuer in der Hand zu haben, trug ebenfalls zu einem gesteigerten Stresslevel bei.

Schwangerschaft, Beruf und Kinder unter einen Hut zu bekommen war schlussendlich, wie so vieles, eine Teamarbeit von meiner Frau und mir. Die Unbeschwertheit, den Elan und die innere Ruhe, die sie dabei bis zuletzt an den Tag legte, faszinierten mich um ehrlich zu sein ein wenig. Bloß abends bemerkte ich eine Verhaltensänderung, je näher der Geburtstermin rückte, da meine Frau sich regelmäßig zurückzog. Als ich interessehalber ebenfalls einer ihrer Geburtsmeditationen lauschte, erkannte ich nicht nur, wie hilfreich dies fürs Abschalten ist, sondern auch wie das bevorstehende Ereignis stärker ins Bewusstsein gerufen und der Fokus auf die wirklichen Prioritäten (Work-Life-Balance) gelenkt wird.

In den Tagen vor dem errechneten Geburtstermin begleitete ich meine Frau bei ihren täglichen längeren Spaziergängen und merkte, dass ihr immer öfter Senkwehen zu schaffen machten. Meine Frage, ob es denn losginge, wurde jedes Mal verneint. Ich solle mir keine Sorgen machen, sie würde schon rechtzeitig Bescheid geben. Also hielt ich mich auch zurück, als sie drei Tage nach dem eigentlichen Termin noch alle Kinder einpackte, um einkaufen zu fahren.

Als ob sie es geahnt hätte, besteht Dani auf “ein letztes Familienfoto zu fünft”

Zu diesem Zeitpunkt wurde ich bereits seit Tagen von Arbeitskollegen bei nahezu jedem Telefongespräch gefragt, ob es denn schon Nachwuchs gäbe. Es war schön zu sehen, wie sehr alle mitfieberten. Am Abend des 2.5. war es schließlich so weit. Hier nun meine Version des Geburtsberichts – sprich mein Tagebuch:

2.5.20: Am Abend ist soweit einmal alles wie immer. Ich bin bei den Kids und Dani zieht sich zurück, aber irgendwie ist die Atmosphäre doch ein wenig anders und nach einem Gespräch mit Dani wird mir klar, dass es los geht. Also geh ich auch “schlafen”, um ein wenig Energie zu tanken. Denn von den Geburten davor weiß ich, dass ich zwar keine Schmerzen wie meine Frau haben werden, doch einiges an Kraft auch von meiner Seite notwendig sein wird. An wirklichen Schlaf ist aber nicht zu denken, die Nervosität steigt.

3.5.20: Die Hebamme kommt gegen 0.30 ins Haus. Alles ist still, das Erdgeschoß ist warm und diffus beleuchtet. Zunächst sitzen wir gemeinsam am großen Esstisch, es ist die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Bewusst bin ich einmal ein wenig stiller, leiser (alle die mich kennen wissen, dass ich das normalerweise nicht bin). Ich beobachte, höre zu und bin behilflich, wo es nur geht. Mir ist klar, ich bin nur der Assistent und Dani und die Hebamme geben die Richtung vor. Die Devise heißt: aktiv dabei sein, aktiv zuhören, alles in sich aufnehmen und auch ein wenig alles genießen. Meine Frau scheint guter Dinge, veratmtet auf dem Sitzball ruhig Wehe für Wehe.

Als sie sich mit der Hebamme Richtung KH aufmacht, bereite ich alles für meine zügige Abreise vor. Das Auto wird in Fahrtrichtung geparkt und eingeladen, die Schuhe stehen griffbereit. Ich lege mich auf die Coach und hänge den Gedanken nach, wartend auf DEN Anruf.

Plötzlich läutet das Handy, ich werde aus meinem Halbschlaf gerissen, hebe beim ersten Läuten ab. Mein Herz schlägt laut, der Puls ist klar zu spüren, ich weiß ja, was auf mich zu kommt. Die Hebamme – keine Ahnung wie sie das macht – ist tiefenentspannt. “Du kannst dich dann langsam auf den Weg machen, wir sind bei 7 cm”. Mein Programm läuft wie geplant ab. Durch die ruhige Art der Hebamme bin auch ich wieder etwas entspannter. Ich gehe zu unserer Tochter ins Zimmer, informiere sie, dass ich mich auf den Weg mache, steige ins Auto und fahre – wohl ein wenig flotter als sonst – zum KH. Ich parke am geplanten Parkplatz und suche mir meinen Weg, doch so leicht ist das aber nicht, dank Corona.

Das Triage-Zelt am Haupteingang ist unbesetzt. Ich zische trotz der Warnschilder alleine durch das Zelt und läute den Nachtportier aus seinem Zimmer. Beide mit Maske, ich voll bepackt, merke ich gewisse Vorbehalte beim Portier (ganz in Richtung, “Was will der Typ um 03:00 Uhr nachts im KH?“), die aber augenblicklich verfliegen, als ich ihm aus der Ferne zurufe, dass meine Frau im Kreißsaal liegt. Ich erfahre, dass ich am falschen Eingang bin. Also flotten Schrittes um das halbe KH, um die Nachtschwester herauszuläuten. Nach einiger Zeit und dem obligaten Fiebermessen bin ich endlich am Weg in den Kreißsaal. Meine Nervosität steigt. Ich bin froh, dass ich Dani und die Hebamme auf Anhieb finde. Das Krankenhaus ist vollkommen leise und leer.

Dani wirkt sehr gefasst, immer noch voller Energie, aber sichtlich erleichtert über mein Erscheinen. Zu dem Zeitpunkt weiß ich noch nichts von dem Weg, den sie bereits hinter sich hat. Ich rechne damit, einige Zeit neben ihr zu sitzen und ihr soweit wie möglich bei den Wehen zu helfen. Überrascht nehme ich den Anruf der Hebamme wahr, die den Arzt kontaktiert und ihm mitteilt, dass es jetzt Richtung Finale geht. “So schnell”, denk ich mir und mir wird klar, dass ich einen großen und anstrengenden Teil der Geburt verpasst habe. Umso mehr möchte ich jetzt alles geben und unterstützen, weiß ich doch, von Nr. 2 und Nr. 3, dass noch viel Anstrengung vor Dani liegt.

Aber was soll ich sagen, meine Frau überrascht mich schon wieder. Die Geburt ist anders, meine Frau ist anders. Sie ist absolut ruhig. Von den Geburten davor habe ich ein lautstarkes Veratmen der Wehen in Erinnerung. Jetzt ist sie komplett fokussiert, atmet durch die Wehen. Ich bin ganz nahe, stütze ihren Rücken und Kopf, damit sie sich ganz auf das Kind konzentrieren kann. Zwischen den Wehen atmet sie vollkommen ruhig – aus der Mediation kommen mir die Worte ins Gedächtnis “You breath in warm and light energy” – sie hat das scheinbar wirklich verinnerlicht. Der Wehenschreiber neben mir zeigt an, dass es dem Baby gut geht, der Arzt sitzt ebenfalls völlig entspannt auf einem Sessel und nimmt sich bewusst zurück. Auch er überlässt es der Hebamme und der Gebärenden, ihren Rhythmus zu finden. Der Weg zum Dammschnitt ist ebenfalls völlig ruhig und geplant. Die Abstimmung mit der Hebamme im Vorfeld macht sich jetzt bezahlt und alles nimmt den gewünschten Weg.

Tja, und dann, nach knapp 20 Minuten, ist es soweit, noch einmal ordentlich pressen und ich sehe schon wie der kleine Mann von der Hebamme in Empfang genommen wird. Sofort ertönt der erste Schrei und ein erster Schwall der Erleichterung und Freude durchströmt mich, durchströmt uns. Wir haben es also nochmals geschafft, als beste Freunde, als Team, als Mann und Frau. Von der gemeinsamen Entscheidung noch einen Nachzügler zu bekommen, durch eine problemlose Schwangerschaft trotz der Coronoakrise bis zur Geburt sind wir den Weg gemeinsam gegangen und wieder war es wunderschön und gleichzeitig ganz anders als bei den Kindern davor und ich möchte keinen einzigen Moment missen.

Je älter Mann wird, desto emotionaler wird er und ich komme dieses Mal nicht umhin, die eine oder andere Träne zu vergießen, denn es ist und bleibt doch ein Wunder was hier passiert. Die weitere Zeit im Kreißsaal genießen wir zu Dritt. Nun darf ich auch meine Maske abnehmen. Es ist alles plötzlich wieder da, jede eingespielte Bewegung, das Neugeborene zu halten, es zu baden. Dani und ich brauchen nicht viele Worte, wir sehen uns nur an und verstehen uns. Wir sind einfach nur glücklich und dankbar.

Ich begleite Mutter und Kind abschließend in Richtung Zimmer und schlage meinen Weg zum Ausgang ein. Dani weiß ich in guten Händen und freue mich, dass sie jetzt einige Tage ganz für sich mit dem Kleinen sein kann, um ihn kennen zu lernen, während ich mich um die Geschwister kümmern und Formalitäten erledigen werde.

Zu Hause schlafen alle noch, also beschließe ich mit unserem Hund eine Runde zu gehen und das Erlebte der letzten Stunden für mich noch einmal Revue passieren zu lassen und zu verarbeiten. Das tut mir gut und ich beginne alles erst so wirklich zu realisieren. Ich bin müde, aber nicht so schlimm wie bei den letzten Geburten und erzähle den Kids zu Hause alles. Wir sehen uns erste Bilder an und sprechen über vieles, von Lustigem, bis zu einigen Sorgen, die auch jetzt in ihnen hochkommen. Ich merke, wie auch sie, allen voran die Älteste, nun gelöst sind, ob der gut gegangenen Geburt des jüngsten Familienmitglieds und wie gespannt wir in die gemeinsame Zukunft blicken.

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

code