Erste Kennenlernzeit mit Baby in Corona Zeiten – ein Tagebuch, Teil 2

Nach der komplikationslosen (den Dammschnitt einmal außer Acht gelassen), schnellen Geburt unseres Nachzüglers in der ruhigen Geburtenabteilung eines niederösterreichischen Landesklinikums begann für meinen Mann und mich zum vierten Mal ein besonderes Abenteuer. Im zweiten Teil meines Tagebuchs erzähle ich über die Stunden direkt nach der Geburt und die erste Kennenlernzeit.

Sonntag, 3.5.2020, 3h30

In die Stille der Nacht ertönt das Geschrei unseres neugeborenen Sohns. Nach 9 Monaten liegt er nun hier auf meiner Brust. Ich kann mein Glück kaum fassen. Mein Mann hält uns im Arm. Ich – nein, WIR haben es geschafft, tauschen vertraute Blicke aus, befinden uns augenscheinlich in unserer ganz eigenen Babyblase. Die Plazenta löst sich reibungslos und wird kontrolliert. Alles wunderbar. Ob wir Verwendung dafür haben, möchte der Arzt wissen. Wir verneinen dankend und sie wird weggepackt. Ich kann mich nicht sattsehen an meinem Baby, das sich bereits beruhigt hat und erschöpft auf mir schläft. Nun ist die Wundversorgung angesagt. Davor habe ich großen Respekt, ja, etwas Angst. Von den vorigen Dammschnitten habe ich schlechte Erinnerungen an das Nähen. Auch diesmal ist es teilweise sehr unangenehm und vor allem langwierig. Ich wage nicht, den Arzt anzublicken, da sich im grellen Licht der OP-Leuchte in seiner großen Schutzbrille ein Schlachtfeld spiegelt. Eine Stunde dauert es, bis alles versorgt ist.

4h30. Hebamme und Arzt verlassen den Kreißsaal. Hier sind wir nun, wir drei. Mutter, Vater, Kind. Ich schließe meine Augen. Ob ich müde sei, fragt mein Mann. Nein. Ich genieße nur. Inhaliere den Moment. Dann wende ich mich wieder meinem Kind zu. Das erste Anlegen funktioniert problemlos. Zufrieden nuckelt der Kleine an meiner Brust. Die folgenden zwei Stunden, die laut Vorschrift im Kreißsaal zu verbringen sind, ziehen sich. Schließlich kommt unsere Hebamme, um das Baby zu wiegen und messen. Der Papa darf es kurz baden.

Ich setze mich auf und wage die ersten Schritte. Meine Hebamme achtet darauf, ob mein Kreislauf mitspielt. Es geht mir gut. Bloß die Geburtsverletzungen schränken meine Bewegungen ein. Wir beschließen, dass ich nicht noch am selben Tag heimkommen, sondern zumindest zwei Nächte auf der Geburtenstation verbringen werde, auch, damit unser Sohn noch die Untersuchung durch den Kinderarzt und den Hüftultraschall bekommt. Unseren drei großen Kindern, die friedlich zuhause schlafen und – bis auf die große Schwester – noch nichts von der aufregenden Nacht und dem Brüderchen mitbekommen haben, hatten wir das im Vorfeld so kommuniziert.

Der Abschied von meinem Mann fällt mir nicht übermäßig schwer. Im Gegenteil, ich möchte, dass er rasch zu den Kindern nachhause fährt und vor Ort ist, wenn sie munter werden. Gegen 6.30 verlässt er den Kreißsaal, während Baby und ich von meiner Hebamme auf unser Zimmer begleitet werden.

Im Bett neben mir liegt eine junge Mama, die 2 Tage zuvor ihr erstes Kind entbunden hat. Masken tragen wir keine, sind aber dazu angehalten diese aufzusetzen, wenn Personal das Zimmer betritt. Der erste Tag steht ganz im Zeichen der Erholung von den Strapazen der Geburt. Mein Baby schläft die meiste Zeit, warm eingepackt und dicht an mich gekuschelt. Ich plaudere hin und wieder ein wenig mit meiner Bettnachbarin, bekomme ihre Stillprobleme mit, höre ihr Baby oft schreien, sehe ihre Ratlosigkeit, spreche ihr Mut zu.

Auch diesmal genieße ich die Zeit im Krankenhaus. Das Essen wird ans Bett serviert. Regelmäßig kommt jemand, um nach mir zu sehen. Mein Tag besteht nur daraus, mich auszuruhen, zu essen und trinken und mich um mein Baby zu kümmern. Dazwischen verschicke ich erste Babyfotos an Verwandte und enge Freunde und telefoniere mit der Familie.

Bereits am Nachmittag gehe ich duschen. So fit war ich noch nach keiner Geburt zuvor. Da mein Zimmerfenster direkt zur Straße zeigt, schlage ich meinem Mann vor, mit den Kindern vorbeizuschauen. Es ist ein einzigartiger Moment, als wir uns durch die Glasscheibe zuwinken und die Geschwister aus ein paar Meter Entfernung ihren kleinen Bruder sehen. Ich möchte sie gern umarmen, an mich drücken, doch es bleibt bei dem Gruß aus der Ferne.

Am nächsten Tag verlässt mich meine Mitbewohnerin und es wird noch ruhiger. Zum ersten Mal erkenne ich in der Corona Krise etwas Positives. Noch nie war ein Krankenhausaufenthalt dermaßen ruhig und entspannt. Keine Besucher. Herrlich. So muss Wochenbett. Der einzige Wermutstropfen: Die auferlegte Zimmerquarantäne hat etwas von Gefängnisatmosphäre. Ein kurzer Ausflug auf den Gang oder in den gegenüberliegenden Aufenthaltsraum ist nicht gern gesehen. Kontakt zu anderen Müttern auf der Station habe ich also nur einmal kurz, als wir allesamt im Konvoi zum Hüftultraschall marschieren. Ich – sonst stets im Laufschritt unterwegs – bin das Schlusslicht der Mama-Baby-Karawane. Wegen meiner Nähte fallen mir rasche Bewegungen und das Sitzen schwer. Doch bei den Kontrollen, die mir nach meinem letzten Dammschnitt-Dilemma wichtig sind, versichert man mir, alles sehe gut aus.

Ich entschließe mich am folgenden Tag auszuchecken. Es ist mein 38. Geburtstag und die drei großen Kinder freuen sich schon so sehr, Baby und mich in die Arme zu schließen. Ich weiß, es steht mit dem Milcheinschuss noch eine anstrengende Zeit bevor, doch hoffe ich, dass ich auch zuhause die notwendige Erholung finde. Die letzte Untersuchung – die Blutabnahme per Fersenstich – lässt unser Zwerg, so wie auch alle vorigen, ganz entspannt über sich ergehen.  Im Anschluss mache ich mich in aller Ruhe fertig und genieße auch noch ein Geburtstagsmittagessen im Spital, bevor man mich mit Sack und Pack zum Haupteingang begleitet. Wieder komme ich mir ein wenig wie eine Gefangene vor, die aus dem Hochsicherheitstrakt entlassen wird. Im Freien wartet bereits meine Familie. Es fühlt sich komisch an, dass eine mir fremde Person mein Baby hinaus trägt, jedoch ist die Babyschale mit Kind darin für mich einfach noch zu schwer, um sie selbst zu tragen. Draußen übernehmen mein Mann und die 3 Großen das Baby und sämtliches Gepäck und wir schließen uns überglücklich in die Arme. Es geht heimwärts.

So anders diese ersten Tage nach der Geburt im Krankenhaus inmitten der Corona-Krise auch waren, so wundervoll und einzigartig werde ich sie in Erinnerung behalten. Zuhause erwarteten mich in einem nun 6-Personen-Haushalt schon nach nur kurzer Zeit eine Menge Aufgaben, die mich die Ruhe und Abgeschiedenheit des Krankenhauses zurückwünschen ließen. Mehr dazu bald in einem Wochenbett Update.