Meine Traumgeburt in Corona Zeiten – Ein Tagebuch, Teil 1

Lange Zeit herrschte Unsicherheit darüber, wie genau die Geburt unseres Nachzüglers inmitten der Corona Krise ablaufen würde. Die Zeitungen berichteten bereits über besorgniserregende Zustände in den Geburtenabteilungen. Von Maskenzwang für die Gebärende und Besuchsverbot für Väter war die Rede. Wie genau meine 4. Geburt dann tatsächlich ablief und weshalb ich sie trotz der widrigen Umstände als wunderschön empfand, darüber möchte ich hier berichten.
Bereits im Vorfeld hatte ich mit meiner Hebamme, die mich zur Geburt begleiten würde, über den Umstand der Maskenpflicht im Kreißsaal gesprochen. Nachdem bereits zwei natürliche Geburten hinter mit lagen, konnte ich mit Sicherheit sagen: nie und nimmer würde ich während der Presswehen – eigentlich auch vorher nicht – etwas über Mund und Nase ertragen. Wir kamen überein, dass dies auch nicht nötig sei. Wir wären alleine im Kreißsaal und folglich würden nur sie und mein Mann Masken tragen. Mit der Vorschrift, dass der Partner direkt nach der Geburt den Heimweg antreten musste, hatte ich mich abgefunden (für Erstgebärende bestimmt eine größere Herausforderung als für eine erfahrene Mehrfachmama). Ob ich tatsächlich ambulant entbinden und nach nur wenigen Stunden das Krankenhaus wieder verlassen würde, das wollten wir entsprechend der Umstände spontan vor Ort entscheiden. Ich blickte der Geburt also insgesamt – auch dank der intensiven Vorbereitungen – relativ offen und entspannt entgegen.

Tagebuch einer Traumgeburt, Teil 1
26.4.20: 3 Tage vor ET. „Baby, bitte bleib drin!“ Die große Schwester möchte ihren Geburtstag nicht teilen müssen.


27.4.20: “Braves Kind! Ab jetzt hast du grünes Licht.“ Nach wie vor lausche ich jeden Abend einer Geburtsmeditation, mache ein Heublumendampfbad und Dammmassage. Die Wehen, die abends deutlich spürbar sind, verschwinden im Laufe der Nacht immer wieder.
Der Dampf soll Beckenboden und Muttermund weicher machen und so vor Geburtsverletzungen schützen
29.4.20: Errechneter ET und somit Routinecheck im KH. Alles bestens. Abgesehen von der komischen Corona Atmosphäre. Mit Maske hänge ich am CTG und sämtliches Personal erscheint vermummt. Eine Ärztin schätzt das Gewicht des Bauchzwergs beim Ultraschall auf 3,70kg. Baby, du darfst jetzt bitte ausziehen aus Mamas Bauch. Ich möchte kein 4kg Kind rausquetschen müssen.
30.4.20: Ich starte geburtseinleitende Maßnahmen. Ausgedehnte Spaziergänge, gepaart mit Yogi Tee und Nelkenöltampons. Abends spüre ich zwar wieder stärkere Wehen, jedoch bleibt die gewünschte Wirkung aus.
1.5.20: Es tut sich etwas. Genauso wie bei den vorigen Geburten geht ein Teil des Schleimpfropfs ab und ich beginne zu zeichnen. „In den nächsten zwei Tagen kommt das Baby“, gebe ich meiner Hebamme überzeugt bekannt. Mein Papa startet einen ersten, sanften Akupressur Versuch. Die Wehen werden mehr.

2.5.20: Samstag. Ich fahre mit den Kindern in die 20km entfernte Stadt einkaufen. „Mama, geht das eh noch? Kann da eh nichts sein?“ Die Besorgnis der Kinder, als wir dort ankommen, gibt mir zu denken. Was, wenn es jetzt wirklich rasch losgeht? Vielleicht doch keine so gute Idee nochmal auszufahren, kommt es mir in den Sinn. Ich bin froh, als wir wieder zuhause sind. 17 Uhr. Mein Papa kommt zum zweiten Mal für eine Akupressur Behandlung. Auf die Triggerpunkte reagiere ich noch viel intensiver als am Tag zuvor. Beim Abendessen merke ich – wie die letzten Abende zuvor – deutlich, dass etwas in Gang kommt. Doch würden die Wehen diesmal endlich mehr werden? 20 Uhr. Ich habe das Bedürfnis mich zurückzuziehen, möchte rasten, fühle, ich brauche vermutlich noch Kräfte für später. Knapp 21 Uhr. Whatsapp Chat mit meiner Hebamme. Ich informiere sie darüber, dass wir uns vermutlich noch vor dem vereinbarten Kontrolltermin am folgenden Tag sehen.

Auch mein Mann und die 2 Großen merken bereits, dass etwas im Gange ist. Ich bringe den Jüngsten ins Bett und lege mich hin. Mein Mann lässt die 2 Großen den Film weitersehen und kommt zu mir. Auch er möchte noch Schlaf bekommen, bevor es losgeht. Im Bett döse ich vor mich hin, achte genau auf die Zeichen meines Körpers. Um 23.30 sind die Wehen so regelmäßig und stark, dass ich mich entschließe meiner Hebamme zu sagen, sie solle sich auf den Weg machen. Immerhin hat sie eine Stunde Anfahrtszeit.
3.5.20: Sonntag. Es ist kurz nach halb ein Uhr nachts. Meine Hebamme kommt ins Haus. Ich veratme auf meinem Pezzi Ball regelmäßig Wehen, bin dank meiner Geburtsaffirmationen, die ich gedanklich durchgehe, guter Dinge und redselig. Irgendwie noch zu fröhlich. Wir plaudern, hören uns die Herztöne an und sie checkt schließlich auch den Muttermund. 4cm. Bloß 4cm… Was jetzt? Ich weiß von den vorigen Geburten: ich muss ins Wasser. Im Wasser geht was weiter. Doch für zuhause wäre das bereits etwas zu spät, besser ins Geburtsbecken im Krankenhaus.. Ich ziehe mich also um und lasse mir meine Tasche holen. Nachdem mein Mann ohnehin noch nicht mit ins KH dürfte (Einlass erst ab Kreißsaal – Zeit), fahren meine Hebamme und ich alleine dorthin.

Um 2.15 haben wir die Sicherheitsschleusen und Checks durchquert und sind in der Geburtenabteilung angelangt. Im CTG Raum nehme ich die mir verpasste Maske ab, um die Wehen besser veratmen zu können. Meine Hebamme meldet uns an und kommt mit einer Hiobsbotschaft: Der Arzt, der die Badewanne wegen der Corona Sache zum Sperrgebiet erklärt, hat Dienst. Die Verzweiflung steht mir ins Gesicht geschrieben. „Wir finden bestimmt etwas anderes, das dir gut hilft.“ Kaum hat sie zu Ende gesprochen, ändert sich plötzlich die Schmerzintensität meiner Wehen. Ich kralle mich an meinen Geburtsstein, den meine Jungs mir mitgegeben haben, spüre, wie mein Baby sich nach unten schiebt. Konnte ich vorher die Wehen noch ruhig veratmen, so muss ich nun bei jeder stöhnen, um den Schmerz besser ertragen zu können. „Bitte ruf meinen Mann an. Er soll kommen!“ Ich bin nicht mehr in der Lage, selbst zu telefonieren. Meine Hebamme gibt ihm Bescheid und meint, ich solle mich doch jetzt am besten umziehen für den Kreißsaal. Irgendwie schaffe ich es, mich aufzusetzen. Immer rascher kommen die Wehen nun, jede heftiger als die vorige. Beim Umziehen brauche ich Hilfe. Ich bin an dem Punkt angelangt, an dem ich wie bei den vorigen Geburten nach Schmerzmittel frage, denn ich habe das Gefühl, ich schaffe das nicht. Meine Hebamme spricht mir Mut zu. Meint, es wäre jetzt vermutlich schon zu spät. Ich wäre sonst unter den Presswehen zu benommen. Ich vertraue ihr.
Wir wandern in den Kreißsaal. Gottseidank steht ein leeres Krankenbett am Gang, an das ich mich bei der nächsten Wehe kralle. Endlich im Kreißsaal. Ich klettere auf das große, runde Kreißbett, bin auf allen Vieren. Der Schmerz – unerträglich. Bei jeder Wehe verspüre ich bereits einen gewissen Pressdrang. „Wo ist mein Mann? Wo ist mein Mann? Wann kommt mein Mann?“ Ich bin am Rande der Verzweiflung. Alleine schaffe ich das nicht. Ein lauter Knall und ein Schwall Flüssigkeit ergießt sich auf das Bett. Meine Fruchtblase ist geplatzt. Den Vierfüßerstand halte ich nicht mehr aus. Ich lege mich zur Seite.

Endlich, um kurz nach 3 Uhr kommt mein Mann. Ich beordere ihn zu meinem Kopf, möchte ihn ganz nah bei mir haben, mein Gesicht in seine Hände graben. Meine Hebamme gibt mir den Rat bereits mitzuschieben. „Hast du die Schere hergerichtet?“ frage ich in einer Wehenpause. Ja. Alles bereit. Auch der Arzt ist bereits informiert. Bei jeder Wehe ziehe ich meinen Oberkörper am Seil, das sich über mir befindet, hoch, während mein Mann meinen Kopf stützt und mir in den Wehenpausen Mut zuspricht. Auch meine Hebamme sagt mir immer wieder, wie weit wir schon sind. Ich bleibe fokussiert, atme, wie sie es mir rät und schiebe mit. Der Arzt kommt in sterilem Gewand, mit Maske und Brille, setzt sich hinter meine Hebamme und lässt uns arbeiten. Die letzten Presswehen. „Trau dich! Drück jetzt ganz fest an!“, höre ich meine Hebamme sagen. Doch wie bei den Geburten zuvor merke ich einen unüberwindbaren Widerstand. Meine Hebamme erklärt dem Arzt, ich hätte bereits zweimal einen Dammschnitt gehabt. Die Entscheidung zu einem weiteren fällt rasch, nachdem die Herztöne zeigen, dass sich auch das Baby schon etwas plagt. Während einer Wehe setzt der Arzt den Schnitt. Ich merke nichts davon. Schon mit einer der nächsten Wehen ist erst das Köpfchen geboren und nur einen Moment darauf bekomme ich mein schreiendes Kind auf meine Brust gelegt. 3 Uhr 23. Ich habe es geschafft.

Wie es Baby und mir direkt nach der Geburt geht und wie und wo wir die erste Kennenlernzeit verbringen, erfahrt ihr in Teil 2.
Außerdem folgt ein interessanter Geburtsbericht aus Vatersicht in Form eines Gastbeitrag meines Mannes.