Meine zweite und doch irgendwie erste Geburt – Vbac: natürliche Geburt nach KS. Und: Keine Angst vorm Dammschnitt

Nach meinem nicht wirklich “geplanten” geplanten Kaiserschnitt beim ersten Kind war ich mir lange Zeit unsicher, was das genau für zukünftige Schwangerschaften und Geburten bedeuten würde. Schon vor 15 Jahren geisterte schließlich der Spruch „Einmal Kaiserschnitt, immer Kaiserschnitt“ in Mütterforen herum. Mein Arzt jedoch versicherte mir, dass einer natürlichen Geburt nichts im Weg stünde und man bei sich abzeichnenden Komplikationen sofort handeln würde.

So kam es, dass ich knapp 3 Jahre nach meiner ersten Geburt eine weitere “erste”, nämlich natürliche Geburt erleben durfte – eine sogenannte VBAC (vaginal birth after cesarean), wie ich später von meinen amerikanischen Freunden aufgeklärt wurde, die in den USA tatsächlich eher selten geworden ist. Obwohl ich also bereits ein Kind hatte, war für mich doch alles neu. Wie würden sich wohl Wehen anfühlen? Was, wenn die Fruchtblase platzt? Wie die Kinderbetreuung für unsere Tochter regeln, wenn es ganz plötzlich losginge oder sehr lange dauern würde? Da waren viele Fragen, viel Ungewissheit, viel Neues, obwohl ich bereits Mutter war.

Dennoch stand für mich fest, auf natürlichem Weg entbinden zu wollen, während sich alle anderen Mütter, die ich von der ersten Geburt kannte und die ebenfalls einen Kaiserschnitt gehabt hatten, für eine weitere Plan-Sectio entschieden. Ich für meinen Teil bin auch heute noch sehr froh über meinen damaligen Entschluss und die Erfahrung, die ich dadurch machen durfte.

Fünf Tage vor dem errechneten Geburtstermin bemerkte ich etwas Blut am WC. Ich “zeichnete” also und wusste, die Geburt stand demnächst bevor. Drei Tage darauf spürte ich gegen 22 Uhr, als wir zu Bett gingen, ein schmerzhaftes Ziehen in meinem Bauch – etwas anders und intensiver als die bekannten Senkwehen, bei denen der Bauch regelmäßig hart wird. Also gab ich meinem Mann Bescheid, dass es eventuell losgehen könnte. Für mich war in dieser Nacht an Schlaf nicht mehr zu denken. Viel zu nervös verfolgte ich, wie sich die Schmerzintensität und der Wehenabstand entwickelten. Die Schmerzen entsprachen dabei ganz heftigen Regelschmerzen. Um 6 Uhr früh entschlossen wir uns ins Krankenhaus zu fahren, nachdem die Wehen alle 5 Minuten kamen. Meine Schwester kam, um auf unsere Tochter, die noch schlief, aufzupassen.

Bei der Aufnahme um 6.15 im Krankenhaus zeigte das CTG schöne, regelmäßige Ausschläge, doch war der Muttermund erst bei 1 cm. Das hatte ich mir anders vorgestellt. Um 7.30 schließlich schickte ich meinen Mann nachhause, da ich in Gedanken noch immer stets bei unserer knapp 3-jährigen Tochter war und nicht wollte, dass sie Angst bekommt, wenn wir beide nicht zuhause wären. Meine Wehen waren ohnehin dabei immer weniger zu werden. Meine Müdigkeit (ich hatte ja die ganze Nacht nicht geschlafen) wurde dagegen immer mehr. Nach einem kleinen Mittagessen gab man mir Globuli, die die Wehentätigkeit wieder ankurbeln sollten. Da ich mit Homöopathie nicht allzu viel anfangen kann, war ich skeptisch, aber nach dem Motto “Hüfts nix, schodts nix” schluckte ich sie und versuchte ein wenig zu schlafen. Es blieb bei einem Versuch. Ich war mir sicher, ich würde wieder heimgehen und alles wäre bloß ein Fehlalarm gewesen. Ab 15.30 merkte ich jedoch tatsächlich, wie die Wehen wieder kamen – viel intensiver und heftiger als zuvor, mit einem arg stechendem Schmerz nach unten. Ich rief meinen Mann an, er solle sich auf den Weg machen. Drei Stunden lang kämpften wir uns durch immer heftigere Wehen. Ich fühlte mich elend. Vom Personal war ich bis dato wenig beachtet worden, obwohl ich zu dem Zeitpunkt die einzige Gebärende war.

Mit dem nächsten Schichtwechsel um 19 Uhr änderte sich alles. Nun durfte ich eine Hebamme kennen lernen, die mir fortan nicht mehr von der Seite wich und sich intensiv um uns sorgte. Ihr ausgesprochen ruhiges Wesen bot den perfekten Gegenpol zu meiner Persönlichkeit und Nervosität. Denn ja, als sich bei der nächsten Untersuchung herausstellte, dass der Muttermund nach wie vor bloß bei 1 – 2 cm war, war ich am Rande der Verzweiflung. Die Wehen waren schon seit Stunden immens. Auf den Rat der Hebamme hin, ging ich gegen 19.30 in die Wanne. Die nächsten 45 Minuten im warmen Wasser waren für mich die Hölle. Ich erinnere mich daran, nach Schmerzmittel gefleht zu haben. Mein ganzer Körper zitterte, ich hatte meine Beine nicht mehr unter Kontrolle. Die Hebamme neben mir blieb die Ruhe in Person. “Das ist ganz normal. Ich gebe dir Globuli”. “Steck dir die Sch*** Globuli sonst wo hin! Ich brauch was ECHTES”, hätte ich vermutlich gerufen, hätte ich die Energie dafür gehabt. So blieb es bei homöopathischen Mitteln und gutem Zureden. Als sie mich schließlich für einen weiteren Check aus der Wanne beorderte, fand sich die Erklärung für die unerträglichen Schmerzen: der Muttermund hatte sich in der kurzen Zeit auf 8 cm geöffnet. Etwas, das sonst mehrere Stunden benötigt, geschah also innerhalb einer Dreiviertelstunde. Jetzt wäre es zu spät für Schmerzmittel, erklärte die Hebamme. Großartig.

Zurück also in den Kreißsaal. Irgendwie hievte ich mich ins Bett. Ich war so müde. So unendlich müde. In den Wehenpausen fielen mir die Augen zu. Immer, wenn ich sie wieder öffnete, sah ich die große Uhr des Kreißsaals genau vor mir. Die Zeit schien nicht vergehen zu wollen. “Wie lange noch?” stöhnte ich vollkommen entkräftet. “Ein bisschen schon noch”, meinte die Hebamme, “aber du kannst jetzt dann mal schon versuchen mitzupressen”. Es war 21.30 Uhr. Mitpressen klang gut. Pressen bedeutet, das Kind kommt. Man presst so drei, vier mal und dann ist das Baby da. In meiner Vorstellung zumindest, wie man es halt vom Hörensagen und aus dem Fernsehen kennt.

Die Realität sah anders aus. Mein Presswehen dauerten. Nach der zwanzigsten hörte ich auf zu zählen. Immer wieder sackte ich zwischendurch weg, war zu schwach um meine Beine hoch zu halten. Ein befreundeter Arzt, der gerade seinen Turnus machte, kam, und half. Mir war alles egal.

Dann, nach mehr als einer Stunde, meinte die Hebamme: “Jetzt aber! Nur einmal noch!” Ich nahm alle meine Kräfte zusammen um zu pressen. Doch es kam ein Punkt, an dem ich merkte, es ging nicht mehr. Es war, als spürte ich innerlich einen Sog, durch den das Baby wieder zurückgezogen wurde. Bei der nächsten Presswehe dasselbe. Die Hebamme und der Arzt schauten sich kurz an, dann holte sie etwas. “Was ist los?”, fragte ich beunruhigt. “Ich werde bei der nächsten Wehe schneiden”, erklärte mir die Hebamme.

Bereits in meiner ersten Schwangerschaft jagte mir die Horrorvorstellung eines Dammschnitts unheimlich Angst ein. Ergo tat ich monatelang alles, um dem vorzubeugen, auch in dieser 2. Schwangerschaft. Und plötzlich war der Punkt, an dem alles umsonst sein sollte. Doch ich war zu kraftlos um Panik zu schieben, um noch irgendeinen Gedanken daran zu verschwenden. Ich wollte bloß, dass es geschafft ist, dass ich mein Baby endlich in die Arme schließen darf. Mit der nächsten Presswehe und dem Setzen des Dammschnitts merkte ich eine deutliche Erleichterung. Innerhalb kürzester Zeit war unser Sohn geboren. Die Schmerzen waren weg. Stattdessen wurde ich durchflutet von Glücksgefühlen, flüsterte leise immer wieder vor mich hin: “Ich habe ein Baby. Ich habe ein Baby”. Es war, obwohl ich bereits zum zweiten Mal Mutter wurde, der emotionalste Moment meines Lebens. All die qualvollen Stunden waren wie weggeblasen. Ich hatte es tatsächlich aus eigener Kraft geschafft. Ein unbeschreibliches Gefühl und eine Situation, die auch meinem Mann die Tränen in die Augen trieb.

Vollkommen erschöpft und abgekämpft, aber unendlich glücklich

Unser Sohn hatte knapp eine Stunde vor dem errechneten ET mit 3,72 kg und 54 cm das Licht der Welt erblickt und uns zu stolzen 2-fach Eltern gemacht. Seine Geburt war ein langer, beschwerlicher Weg, doch gewiss einer, der sich lohnte. Und einer, der mir zeigte, wie wichtig es war, die richtigen Menschen an seiner Seite zu haben und sich gut betreut zu wissen. Mir war damit klar, dass ich bei einer weiteren Geburt definitiv eine private Hebamme in Anspruch nehmen würde. Etwas, das ich wirklich jeder Frau ans Herz legen kann.

Mein Dammschnitt wurde im Übrigen nach der Geburt fachgerecht versorgt und genäht (was zugegeben ziemlich unangenehm war und eine gefühlte Ewigkeit dauerte) und bereitete mir in Folge nicht wirklich Probleme. Klarerweise fiel das Sitzen in den ersten Tagen schwer und es ziepte mächtig, aber im Großen und Ganzen waren meine Ängste vor dieser Art der Geburtsverletzung unbegründet gewesen. Auch meine 3. Geburt erforderte diesen Eingriff, wenngleich unter erschwerten Bedingungen und mit heftigeren Folgen. Mehr dazu bald.

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